Mit der Human Error Root Cause Analyse Mitarbeiterfehlern entgegenwirken

Auf der einen Seite ist das Auftreten von Fehlern menschlich und kann nicht komplett umgangen werden. Es gibt andererseits aber auch Fehler, die nicht passieren dürfen. Dies ist genau dann der Fall, wenn sie in einer Katastrophe enden können, z. B. einem Arbeitsunfall, einer massiven Störung des Betriebs, einer Rückrufaktion usw.

Die gute Nachricht: Wenn Sie die wahren Ursachen von Fehlern systematisch analysieren, sind Sie solchen Konsequenzen nicht mehr hilflos ausgeliefert.


Inhaltsverzeichnis

  1. Ursache von Fehlern
  2. Schwachstellen aufdecken und vorbeugen
  3. Umsetzung in der Praxis
  4. Fazit

1. Ursache von Fehlern

Abbildung 1

Die Erkenntnisse aus der Fehler- und Unfallforschung (siehe Abbildung 1) haben gezeigt, dass menschliche Fehler in ca. 80 % der Fälle ein direktes Unglück bzw. Problem verursachen. Des Weiteren haben speziell die Untersuchungen von Unfällen in der Luftfahrt ergeben, dass die Ursachen für menschliches Versagen zu ca. 20 % auf individuelle Ursachen und zu ca. 80 % auf latente Ursachen zurückzuführen sind.

Wie kommt es denn zu einem unerwünschten Vorfall oder einem Problem? Sie können das Ganze mit einer aufgereihten Kette von Dominosteinen vergleichen. Sobald ein Stein ins Wackeln kommt, kippen alle darauffolgenden Steine nacheinander um. In der Praxis kann das z. B. ein kleiner Fehler eines anderen Teammitglieds oder eine verspätete Lieferung bestellter Ware sein, die die Kettenreaktion in Gang setzt. Da geeignete Absicherungsmaßnahmen fehlen und andere Mitarbeitende sowie Führungskräfte in der jeweiligen Situation ebenfalls Fehler machen, fällt die gesamte Kette an Dominosteinen um. Dieses Phänomen ist auch unter dem Begriff „Verkettung der unglücklichen Umstände“ bekannt.

Der letzte Stein in der Kette ist meistens ein Mensch. Und dieser wird häufig als direkte Ursache für ein Unglück oder einen unerwünschten Vorfall angesehen. In Unfallberichten heißt es dann oft: „Menschliches Versagen!“, oder „Hauptursache Mitarbeiterfehler!“. Dabei sind Mitarbeiterfehler in den meisten Fällen nur ein Symptom für die latenten Ursachen im System.

Als Herausforderung für ein wirksames Fehlermanagement in Unternehmen gilt deshalb nicht, beim verantwortlichen Mitarbeitenden so lange nachzufragen, bis die Ursache des unerwünschten Vorfalls herausgefunden wurde. Vielmehr sollten die Schwachstellen im System, die den Mitarbeiterfehler begünstigt haben, identifiziert und weitestgehend eliminiert werden.

2. Schwachstellen aufdecken und vorbeugen

Wie können Sie jetzt erreichen, dass der letzte Stein nicht mehr bei jedem kleinen Fehler oder Problem im Unternehmen umkippt und dem Menschen am Ende der Prozesskette kein Fehler mehr passiert? Indem Sie verhindern, dass die gesamte Dominosteinkette umfällt. Das können Sie erreichen, indem Sie die Dominosteine, welche systemische Schwachstellen aufweisen, aus der Kette entfernen. Die Erkenntnis aus dem Risikomanagement lautet hierbei: Umso mehr Dominosteine entfernt werden, desto geringer ist das Risiko für ein wiederholtes Auftreten des menschlichen Fehlers.

Das ist der Ansatz für ein wirksames Null-Fehlermanagement bzw. für die „Vision Zero“, der gesetzlichen Unfallversicherung, nämlich zu verhindern, dass es durch die „Verkettung der unglücklichen Umstände“ zu einer Katastrophe kommt.

3. Umsetzung in der Praxis

Eine geeignete Methode für die Untersuchung von unerwünschten Vorfällen ist die Human Error Root Cause Analysis (HERCA). Ziel dieser Methode aus dem World Class Manufacturing System (WCM) ist es, geeignete Verbesserungsmaßnahmen in Prozesse zu integrieren. Damit können im idealen Fall Mitarbeiterfehler erst gar nicht auftreten oder durch geeignete Kontrollmaßnahmen frühzeitig entdeckt werden.

Abbildung 2

Der Fokus bei einer HERCA liegt auf der Analyse und Beseitigung von systemischen Schwachstellen, die den Mitarbeiterfehler begünstigt haben, die sogenannten Human Factors – hier dargestellt mit dem SHELL-Modell (siehe Abbildung 2), das im Rahmen der Untersuchungen von Flugunfällen entwickelt wurde. Es geht also um die Frage, wie Defizite z. B. in der Kommunikation, der Arbeitsplatzausstattung, der Information, der Zusammenarbeit von Führungskräften und Personal dazu geführt haben, dass Mitarbeitende in der jeweiligen Situation Fehler verursacht haben.

Ebenfalls zu den Human Factors gehören die individuellen Einflussfaktoren der Mitarbeitenden, wie physische oder psychische Faktoren, Übermüdung, Stress, familiäre Probleme oder Konflikte. Diese sollten auf das Auslösen eines Irrtums, Planungsfehlers oder Regelverstoßes untersucht werden.

Abbildung 3

Eine HERCA unterscheidet sich wesentlich von einer „normalen“ Root Cause Analyse, wie sie bei technischen oder chronischen Problemen eingesetzt wird. Auch die populären Problemlösungswerkzeuge wie das Fischgrätendiagramm oder die konventionelle Suche nach der einen Hauptursache mit der „5xWarum?“-Fragetechnik sind für eine HERCA nicht geeignet. Grund hierfür ist, dass Sie bei einer HERCA die „Dominosteinkette“ rekonstruieren müssen, also die faktischen Ursachen für einen unerwünschten Vorfall. Eine Diskussion über mögliche Ursachen bringt Sie in diesem Fall nicht weiter. In komplexen Fällen kann eine „Dominosteinkette“ auch aus mehreren parallelen Ketten bestehen. Erst wenn Sie diese Ursachen-Wirkungsbeziehungen kennen, die den jeweiligen Vorfall begünstigt haben, können Sie auch wirksame Verbesserungsmaßnahmen entwickeln (siehe Abbildung 3). Dazu brauchen Sie Zahlen, Daten und Fakten. Eine Diskussion über „mögliche Ursachen“ mit einem Brainstorming und dem Fischgrätendiagramm ist in solchen Fällen nicht zielführend.

Eine andere Stolperfalle ist die konventionelle „5x-Warum?“-Fragetechnik mit der Suche nach der einen Hauptursache. Diese Methode ist zwar bei technischen Problemen sehr wirkungsvoll, bei der Untersuchung unerwünschter Vorfälle aber weniger hilfreich. Hierbei kommt es darauf an, möglichst alle relevanten Ursachen zu analysieren und nicht nur eine Hauptursache. Denn jede erkannte Ursache ist eine Chance für eine Verbesserungsmaßnahme. Je mehr Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt werden, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederholung des Vorfalls.

4. Fazit

Fehlermanagement ist deshalb auch gleichzeitig Risikomanagement. Wenn Sie also zukünftig Mitarbeiterfehler vermeiden wollen, müssen Sie die wahren Ursachen innerhalb Ihrer Prozesse kennen. Sind die Ursachen identifiziert, müssen diese bestmöglich eliminiert werden. Zudem empfiehlt es sich, geeignete Absicherungsmaßnahmen im Prozess zu etablieren, damit Fehler frühzeitig erkannt werden und um diesen letztlich entgegenzuwirken.

Ziel des Fehlermanagements ist, Schwachstellen im System nicht nur als Reaktion auf einen unerwünschten Vorfall zu beseitigen, sondern bereits proaktiv zu handeln. Dies erreichen Sie, indem Sie potenzielle Schwachstellen und Fehler mit einer Gefährdungsbeurteilung oder P-FMEA entdecken und beseitigen.