8 Tipps für eine erfolgreiche Root Cause Analyse bei Mitarbeiterfehlern

Irren ist menschlich und wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Aber Fehler ist nicht gleich Fehler. Manche Patzer dürfen einfach nicht passieren, weil das Ganze in einer Katastrophe enden kann – menschlich und wirtschaftlich.

Die Frage ist, wie geht man mit dem Thema um? Jemandem die Schuld zuweisen ist Old-School-Fehlerkultur. Glücklicherweise haben viele Unternehmen mittlerweile die Schwelle zu einer offenen Fehlerkultur überschritten. Geht es aber um die Untersuchung von unerwünschten Ereignissen, wie z. B. bei Arbeitsunfällen, Kundenreklamationen nach Qualitätsfehlern usw., ist häufig noch ein altbekanntes Muster festzustellen: „Hauptursache Mitarbeiterfehler“ als Ergebnis der Root Cause Analyse (kurz RCA, auch als Ursachenanalyse bekannt). Dieses Ergebnis führt zu entsprechenden „Verbesserungsmaßnahmen“, die sich mehr mit dem Symptom als mit den wahren Ursachen beschäftigen. Die Konsequenz daraus ist, dass Fehler und Probleme nicht weniger werden und sich nach kurzer Zeit wiederholen.

Im Folgenden sind acht Tipps aufgeführt, mit denen Sie wirksame und nachhaltige Verbesserungsmaßnahmen entwickeln und umsetzen können. Dabei wird dargestellt, welche Fallstricke und Stolperfallen Sie bei Root Cause Analysen hinsichtlich unerwünschter Ereignisse im Zusammenhang mit Mitarbeiterfehlern beachten sollten.

Inhaltsverzeichnis

  1. Sprechen Sie erst über Lösungen, wenn Sie wissen, was und warum etwas passiert ist
  2. Analysieren Sie die Ursachen erst, wenn alle Informationen auf dem Tisch liegen
  3. Mitarbeiterfehler sind nicht die Hauptursache bei Problemen
  4. Gestalten Sie die Befragungen nach den Fehlerursachen nicht wie ein Verhör
  5. Doktern Sie bei Mitarbeiterfehlern nicht an den Symptomen herum
  6. Mit Feuerwehraktionen lassen sich keine Probleme lösen
  7. Wenden Sie die passenden Methoden, Routinen und Werkzeuge an
  8. Setzen Sie bei den Verbesserungsmaßnahmen die richtigen Prioritäten
  9. Zusammenfassung

1. Sprechen Sie erst über Lösungen, wenn Sie wissen, was und warum etwas passiert ist

Eine professionelle Problemlösung besteht immer aus mindestens drei Schritten:

  1. Problemdefinition 
  2. Ursachenanalyse
  3. Verbesserung 

Bei Verbesserungsmaßnahmen sollte es immer um die Unterbrechung von Ursache-Wirkungsketten gehen. Das bedeutet konkret, dass einzelne Ursachen für ein unerwünschtes Ereignis eliminiert werden müssen.

Deshalb können Verbesserungsmaßnahmen nur dann wirksam und nachhaltig sein, wenn sie sich auf die nachgewiesenen Ursachen eines unerwünschten Ereignisses beziehen. Bestehen am Ende noch Zweifel, ob eine Ursache tatsächlich einen Einfluss in dem jeweiligen Fall hatte, sollten keine Verbesserungsmaßnahmen auf Basis dieser möglichen Ursachen festgelegt werden.

Sprechen Sie also erst dann über Verbesserungsmaßnahmen, wenn Sie die Ursachenanalyse abgeschlossen haben und für alle ermittelten Ursachen der Ursache-Wirkungsketten ein Nachweis vorliegt.

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2. Analysieren Sie die Ursachen erst, wenn alle Informationen auf dem Tisch liegen

Abbildung 1: Problembeschreibung

Um am Ende die relevanten Ursachen für ein unerwünschtes Ereignis zu identifizieren, müssen zuerst alle bekannten Zahlen, Daten und Fakten bekannt sein. Diese Informationen erhalten Sie aus Interviews mit Betroffenen, Zeugen sowie aus Dokumenten und vor Ort Begehungen usw. Das Zusammentragen aller Fakten ist wesentlicher Bestandteil der ersten Phase „Problemdefinition“.

Fangen Sie mit der „5x Warum?“-Fragetechnik an. Die daraus resultierenden Informationen werden anhand einer Zeitleiste hintereinander wie in einer Dominosteinkette angeordnet – beginnend mit dem unerwünschten Ereignis.

In den seltensten Fällen werden Sie es mit nur einer linearen Ursache-Wirkungskette zu tun haben. In der Praxis hat sich gezeigt, dass vor allem im Zusammenhang mit Mitarbeiterfehlern, mehrere parallele Ursache-Wirkungsketten entstehen.

Es müssen anfangs noch nicht alle Fakten bekannt sein. Wenn Sie die Ursache-Wirkungsketten mit einem Ursachenbaum visualisieren, können Sie neue Informationen später auch leicht nachtragen.

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3. Mitarbeiterfehler sind nicht die Hauptursache bei Problemen

Abbildung 2: Human Factors

Es reicht in vielen Fällen nicht aus, nur die technische Seite eines Problems zu untersuchen. Die wahren Ursachen bei einem unerwünschten Ereignis im Zusammenhang mit einem Mitarbeiterfehler erfahren Sie erst, wenn Sie auch die Begleitumstände kennen, warum der Mitarbeiter in der jeweiligen Situation so und nicht anders gehandelt hat.

Dazu sollten Sie wissen, warum Fehler passieren. Die Hochzuverlässigkeitsorganisationen (zu Englisch: High Reliability Organizations, HRO), wie z. B. in der Luftfahrt und der Kerntechnik, haben bei vielen Unfalluntersuchungen in den letzten Jahrzehnten herausgefunden, dass Mitarbeiterfehler nie die Ursache eines Problems sind, sondern immer die Folgen von latenten Ursachen in der Organisation. Und das sind die sogenannten „Human Factors“.

Hören Sie deshalb bei den „Warum?“-Fragen nicht bei der vermeintlichen „Hauptursache Mitarbeiterfehler“ auf, sondern hinterfragen Sie auch die Begleitumstände und die Human Factors, warum ein Fehler passiert ist.

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4. Gestalten Sie die Befragungen nach den Fehlerursachen nicht wie ein Verhör

Treten Sie bei den Gesprächen mit dem Mitarbeiter, dem ein Fehler passiert ist, nicht wie ein Staatsanwalt auf. Stellen Sie eher Fragen wie ein Verteidiger, um herauszufinden, warum etwas wie passiert ist.

Bedenken Sie, dass niemand einen Fehler absichtlich macht, sondern dass es immer Gründe gibt, warum ein Mitarbeiter in der jeweiligen Situation so und nicht anders handelt.

Sichern Sie dem Mitarbeiter deshalb unbedingt Sanktionsfreiheit zu, es sei denn, es handelt sich um einen fahrlässigen oder vorsätzlichen Regelverstoß, bei dem das Unternehmen oder andere Personen geschädigt wurden.

Vermeiden Sie jede Form von Schuldzuweisungen und Sarkasmus. Drängen Sie den Mitarbeiter nicht in eine Position, in der er sich verteidigen muss.

Vermeiden Sie auch, mit „Warum?“-Fragen nach den Ursachen zu suchen. „Warum?“-Fragen führen in der Regel zu einer Abwehrhaltung, bei der die Antworten eher der Kategorie „Ausreden und Ausflüchte“ zuzuordnen sind.  Stellen Sie offene Fragen. Treiben Sie den Mitarbeiter nicht in die Enge und stellen Sie keine Suggestivfragen. Formulieren Sie die Antworten nicht vor, sonst bekommen Sie nur die Informationen, die Sie hören wollen, die aber nichts mit dem Fall zu tun haben.

Achten Sie darauf, dass ganz konkrete Ursachen und Gründe für ein Verhalten genannt werden. Aus der Ursache wie z. B. „Da habe ich wohl nicht aufgepasst!“ können Sie keine sinnvollen und nachhaltigen Verbesserungsmaßnahmen ableiten. Sie müssen mit dem Mitarbeiter gemeinsam nach den konkreten Ursachen für diese „Unaufmerksamkeit“ suchen.

In der Regel können die Mitarbeiter, denen ein Fehler passiert ist, auch schon Lösungsvorschläge anbieten, wie zukünftig diese Fehler und die daraus resultierenden Probleme vermieden werden können.

Mitarbeiter werden aber erst dann offen über diese Dinge sprechen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Verbesserungsmaßnahmen auch ernst genommen und umgesetzt werden.

Wenn Sie (noch) Schwierigkeiten haben sollten, solche offenen und konstruktiven Gespräche zu führen, dann lassen Sie das besser jemanden machen, der a) die notwendigen Kommunikationstechniken beherrscht und b) emotional nicht so betroffen ist.

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5. Doktern Sie bei Mitarbeiterfehlern nicht an den Symptomen herum

Erneutes Training, disziplinarische Maßnahmen, noch umfangreichere Arbeitsanweisungen, Belehrungen usw. sind keine geeigneten Lösungen, um Probleme im Zusammenhang mit Mitarbeiterfehlern zu lösen.

Die einzige Chance liegt darin, sich mit den latenten Ursachen im System zu befassen, wie den Arbeitsplatzbedingungen, den Betriebsmitteln, dem Zustand des Rohmaterials, der Zusammenarbeit und Kommunikation mit Vorgesetzten und Kollegen, dem Trainingskonzept, usw.

Das sind die Stellschrauben, um das Risiko für Mitarbeiterfehler zu minimieren.

Als Grundvoraussetzung für ein fehlerfreies Arbeiten ist jedoch auch dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter physisch und psychisch in der Lage sind, die ihnen zugewiesenen Aufgaben zu erledigen. Das sind die individuellen „Human Factors“. Der eine kommt z. B. mit Nachtschichten überhaupt nicht zurecht. Ein anderer hat vielleicht aktuell Probleme mit seinem Kind, welches im Krankenhaus ist. Da sind die Leute in der Regel mit ihren Gedanken nicht bei ihrer Arbeit, sonders ganz woanders – und dann kann leicht ein Fehler passieren.

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6. Mit Feuerwehraktionen lassen sich keine Probleme lösen

Feuerwehraktionen sind beliebte Maßnahmen, um schnelle Problemlösungen zu erzwingen.

Leider wird oft vergessen oder verdrängt, dass mit diesen Maßnahmen nur die Folgen von Problemen, jedoch nicht deren Ursachen beseitigt werden.

Die Folge: Die Probleme werden nicht weniger und die gleichen oder ähnlichen Fehler passieren immer wieder.

Erst nach einer umfassenden Ursachenanalyse können wirksame Verbesserungsmaßnahmen das Risiko für eine Wiederholung eines Problems bzw. Fehlers minimieren.

Ja, das kostet Zeit. Aber nicht jedes Problem ist gleich ein Titanic-Problem. Wenn bereits die Ursachen von kleineren Problemen und Fehlern analysiert werden, hält sich der Aufwand im Rahmen. Voraussetzung: Sie wissen, wie eine Problem- und Fehlerursachenanalyse richtig durchgeführt wird und eignen sich mit der Zeit eine gewisse Routine an. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.

Das Ergebnis: Wenn Sie sich bereits mit kleinen Fehlern und Problemen beschäftigen, können Sie das Risiko, dass ein kleiner Fehler in einer Katastrophe endet, in der Regel auch beherrschen.

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7. Wenden Sie die passenden Methoden, Routinen und Werkzeuge an

Abbildung 3: Methoden der Ursachenanalyse

Bei einer Ursachenanalyse (zu Englisch: Root Cause Analysis, kurz RCA) müssen Sie zwischen chronischen Problemen und unerwünschten Ereignissen unterscheiden.

Nun gibt es für die Lösung von Problemen eine große Anzahl an Methoden, Routinen und Werkzeugen.

Was aber für die eine Problemkategorie geeignet ist, passt in der Regel nicht für die andere.

Gemeinsam besteht jedoch bei allen Problemlösungen das Grundgerüst aus:

  1. Problemdefinition 
  2. Ursachenanalyse
  3. Verbesserung

Das Fischgrätendiagramm (auch Ishikawa Diagramm oder Ursache-Wirkungs-Diagramm genannt) ist z. B. gut geeignet, um in die Ursachenanalyse bei chronischen Problemen einzusteigen. Z. B., warum die Nacharbeitskosten im letzten Quartal höher als geplant sind. Beginnend mit einem Brainstorming über mögliche Ursachen, können diese relativ einfach den Ursachenkategorien (auch bekannt unter den 6M’s) Mensch, Maschine, Material, Methode, Messung, Mitwelt zugeordnet werden, um dann mit der tiefergehenden Ursachenanalyse mit Paretodiagrammen, Histogrammen, Hypothesentests, Regressionsanalysen usw. weiterzumachen.

Das funktioniert bei der Untersuchung von unerwünschten Ereignissen leider wiederum nicht. Hier müssen die tatsächlichen Ursache-Wirkungsbeziehungen identifiziert werden, die das jeweilige unerwünschte Ereignis begünstigt haben.

In diesen Fällen ist eher die „5xWarum?“-Fragetechnik (auch 5-Why-Methode oder 5-W-Methode genannt) als Einstieg in die Ursachenanalyse geeignet. Um dann mehrmals „Warum?“ zu fragen und die sich ergebenden Ursache-Wirkungsketten mit einem Ursachenbaum zu visualisieren.

So ein Ursachenbaum kann bei größeren Ereignissen und Vorfällen schon mal sehr komplex und umfangreich werden. Dabei kann sich eine lineare Ursache-Wirkungskette mit fünf Ursachen zu einem Ursachenbaum mit mehreren Ursache-Wirkungsketten und 10, 20, 30 und mehr Ursachen entwickeln.

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8. Setzen Sie bei den Verbesserungsmaßnahmen die richtigen Prioritäten

Abbildung 4: Ziel der RCA: Risikominimierung

Sind alle Ursachen in den Ursache-Wirkungsketten zusammengefasst, geht es abschließend an die Verbesserungsmaßnahmen. Es ist jedoch keinesfalls so, dass Sie jede identifizierte Ursache eliminieren müssen. Ziel ist, die Ursache-Wirkungskette so zu unterbrechen, dass das Risiko für weitere Probleme minimiert wird.

Setzen Sie hier zuerst die Verbesserungsmaßnahmen um, bei denen Sie niemand anderen erst fragen müssen, sondern über deren Umsetzung Sie selbst entscheiden können. Das geht in der Regel am schnellsten.

Dann erst kümmern Sie sich um die Maßnahmen, bei denen Sie Unterstützung von anderen benötigen. Legen Sie hierzu gemeinsam fest, was, von wem, wie, bis wann und welcher Zielzustand umgesetzt werden soll. Visualisieren Sie diesen Aktionsplan öffentlich, z. B. an einem Flipchart oder Whiteboard, damit sich jeder über den Fortschritt informieren kann.

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9. Zusammenfassung

Abbildung 5: Zusammenfassung: Ereignis- und Fehlerursachenanalyse

Diese acht Punkte sind die häufigsten Knackpunkte, die bei der Betreuung von Verbesserungsprojekten behandelt werden.

Die Suche nach der einen „Hauptursache“, der Umgang mit „möglichen Fehlern“ und die Unkenntnis der „Human Factors“ usw. führen dazu, dass zu früh mit der Ursachenanalyse gestoppt wird, die falschen Fragen gestellt werden und deshalb die Verbesserungsmaßnahmen weder wirksam noch nachhaltig sind. Das ist letztlich auch der Grund dafür, warum viele Root Cause-Analysen (RCA) so lange dauern: In vielen Fällen wird zu spät erkannt, dass die Verbesserungsmaßnahmen unwirksam oder nicht nachhaltig sind und alle wieder von vorne anfangen müssen.

Die Lösung: Mit der strukturierten und systematischen „Ereignis- und Fehlerursachenanalyse“ sowie mit den passenden Methoden, Routinen und Techniken sind Sie in der Lage

  • das Risiko für Probleme und Fehler signifikant zu senken,
  • Untersuchungen nach unerwünschten Ereignissen effektiver und effizienter durchzuführen
  • und komplexen und weniger komplexen Problemen mit den gleichen Methoden, Routinen und Techniken entgegenzuwirken,

damit aus kleinen Fehlern keine großen Probleme werden.

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Über den Autor:

Peter Cartus startete seine berufliche Karriere in der Luft- und Raumfahrttechnik als Diplom-Ingenieur. Nach mehr als 20 Jahren als Führungskraft in produktionsnahen Bereichen führender Industrieunternehmen und nach weiteren 20 Jahren in der Organisationsentwicklung und als Six Sigma Master Black Belt beschäftigt es sich heute mit der spannenden Frage: Warum passieren Menschen Fehler und wie können Unternehmen aus Fehlern und Problemen nachhaltig lernen?

Er ist Inhaber der SigmaConsult Unternehmungsberatung und bietet sein fundiertes Wissen allen Unternehmen an, die die Anzahl der Arbeitsunfälle, Qualitätsfehler, Umweltzwischenfälle usw. im Zusammenhang mit menschlichen Fehlern signifikant reduzieren wollen.

www.nullfehlermanagement.de

Bildnachweise:

Abbildungen – Eigentum von Peter Cartus, SigmaConsult Unternehmensberatung, iStock.com/Christian Horz