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Bild von einem Seil und an beiden Seiten ziehen zwei Männer dran

Ist das wirklich meine Aufgabe? Die „soziale Rolle“ als Kompass für mehr Klarheit in der Zusammenarbeit

Widerstand und Reibung in der Zusammenarbeit gehören zum betrieblichen Alltag – auch im DIN ISO-Kontext. Wie geht man damit als Fachkraft und Expert:in im Managementsystem um, wenn Zusammenarbeit mit z.B. Entscheidern immer wieder in Stress, Zeitdruck und Unzufriedenheit enden? Mit dem Konzept der „soziale Rolle“ aus den Sozialwissenschaften finden sich Ansatzpunkte, den beruflichen Alltag bewusster wahrzunehmen und zielgerichtet mitzugestalten.

Zufriedenheit im Beruf ist ein Geschenk! Wie wunderbar, wenn der betriebliche Alltag erfüllt ist von Ergebnissen und Erfolgserlebnissen. Wenn er getragen wird von Respekt und Anerkennung. Die gemeinsame Wertschöpfung geschieht auf klar abgestimmte, immer wiederkehrende Art und Weise. Jede:r weiß, was zu tun ist. Alles verläuft harmonisch nach Plan.

Leider sind moderne Unternehmen immer seltener Orte zuverlässiger Routinen und planbarer Abläufe. Zunehmende Komplexität und steigende Dynamik im wirtschaftlichen Umfeld, vielfältige Einfluss- und Störfaktoren und ihre Wechselwirkungen machen den Betrieb und seine Arbeitsverteilung immer häufiger zum willkürlichen Spiel der Kräfte. Auch Managementsysteme sind davon nicht ausgenommen. Trotz umfangreicher Regelwerke und dokumentierter Vorgaben ist das Alltagsgeschäft nicht vollumfänglich geregelt. Immer wieder ergeben sich Frage- und Aufgabenstellungen, die nicht geplant oder dem Zufall unterworfen sind. So müssen dann schriftlichen Vorgaben situationsangemessen interpretiert werden, um die Aufteilung der Arbeit spontan zu klären.

Entsprechende Verhandlungen sind allerdings selten nur harmonisch. Zu unterschiedlich sind die individuellen Zielsetzungen und Prioritäten z.B. zwischen Stab- und Linienstellen. Gerade für die fachlich unterstützenden Experten der Managementsysteme in Qualität, Umweltschutz, Arbeits- oder Informationssicherheit kann dies schnell zu Unzufriedenheit, Motivationsverlust, Produktivitätseinbußen und Stress führen.

Wie kommt es, dass trotz all der schriftlichen Vorgaben Verantwortung, Zuständigkeiten und Aufgabenverteilung gerade in Managementsystemen immer wieder zum Thema – nicht selten auch zum unerfreulichen Konflikt werden und damit Wirksamkeit und Ergebnisse der Managementsysteme ausbremsen? Und wie lässt sich dem vorbeugen?

Position, Funktion, Rolle – Begriffsverwirrung?

Hilfreich sind in diesem Zusammenhang die Sozialwissenschaften – genauer: Soziologie und Sozial-Psychologie. Sie liefern mit der „sozialen Rolle“ ein Denkmodell, das die entsprechenden zwischenmenschlichen Wechselwirkungen verdeutlicht und die Brücke zu angemessenen Lösungen schlägt. Begriffe wie Position und Funktion gehören in Unternehmen zum alltäglichen Sprachgebrauch – auch in Managementsystemen:
Positionen stellen den formalen Platz im Unternehmen dar, der dann z.B. vom Abteilungsleiter, Bereichsleiter, Team- oder Projektleiter eingenommen wird. Sie sind in der Regel gekoppelt an Verantwortungsbereiche, Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse.

Funktionen beschreiben den Zweck und die inhaltlichen Aufgaben der Stelle und damit auch den Beitrag, den der Inhaber zum Unternehmenserfolg leistet. In der Regel sind Position und Funktion auf Dauer angelegt und haben die gesamte Institution im Blick. Beides findet sich gern in Organigrammen. Hinzu kommen oft ausführliche Stellen- und Funktionsbeschreibungen, die weiter in die Tiefe gehen.

Die Rolle als Begriff spielt nicht nur auf der Bühne. Sie hat inzwischen auch viele unterstützende Softwareprogramme erobert. Hier wird sie als synonym zur Stellen- oder Aufgabenbeschreibung gesehen. In diesem Beitrag allerdings ist das oben angekündigte theoretische Konzept gemeint.  In diesem Gedankenmodell sind Rollen flexibler und spezifischer: Eine (soziale) Rolle bündelt die von einer Person erwarteten Verhaltensweisen, die wieder auf das Verhalten anderer Personen im näheren Umfeld zurückwirken.
So wie Vater und Mutter gängige Rollen in der Familie sind, von denen ein bestimmtes Verhalten erwartet wird, gibt es ebenso die Rolle der Lehrer in der Schule oder der Führungskräfte im Unternehmen. Solch eine Rolle ist immer auf die Rolle anderer Personen abgestimmt und angewiesen, wobei sich diese Rollen gegenseitig ergänzen (z.B. Elternrolle – Kindrolle; Führungskraftrolle – Mitarbeitende-Rolle oder auch Fach- und Führungskraft).

Rollen sind deshalb auch nicht aufgeschrieben. Sie werden zugewiesen und haben mit der Person, die sie „trägt“ zunächst einmal nichts zu tun. Die Verhaltenserwartungen an einen internen Auditor im Unternehmen ändern sich nicht mit der Person des Auditors.

Allerdings ändern sie sich damit, wie diese Person ihre Rolle lebt. Denn Rollen entstehen und verändern sich im Tun. Sie werden jeden Tag in der Zusammenarbeit neu verhandelt:
Erfülle ich an mich herangetragene Erwartungen, bestätige ich das Rollenbild des mit mir arbeitenden Gegenübers. Oder im Umkehrschluss eben auch nicht.

Die Rolle vermittelt also zwischen übergreifenden, schriftlich fixierten, langfristigeren Regelungen und dem launischen Alltagsgeschäft und seinen Beteiligten.

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„Ist das wirklich meine Aufgabe?“

Charakteristisch für den Alltag der Fach- und Stabskräfte in Managementsystemen ist die Diskussion über Aufgaben, Aufgabenteilung und Verantwortlichkeiten. Aber was ist das eigentlich „verantwortlich“? Und wie weit geht fachliche Unterstützung?

Die Einführung neuer gesetzlicher Vorgaben, z.B. für mehr Sicherheit (bei der Arbeit, im Prozess, bezüglich der Qualität des Endergebnisses), führt oft zu Mehrarbeit in der Linie. Viel zu selten wird diese Mehrarbeit „durch“ Managementsysteme auch als ökonomischer Mehrwert geadelt. Dieses Image führt unter Zeitdruck oder in wirtschaftlich schwierigen Zeiten dazu, dass Aufgaben, z.B. zur Arbeitssicherheit, entweder mit niedriger Priorität auf endlosen Maßnahmenlisten ihr Dasein fristen oder auch an die Fachkraft (zurück)delegiert werden. Ein schönes Beispiel dafür ist z.B. die Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz, an der die lokalen Mitarbeitenden wenig beteiligt sind und sich entsprechend wenig intensiv mit den eigenen Risiken auseinandersetzen.

Begleitende Fragen wie: „Ist das wirklich meine Aufgabe?“ oder „Wozu haben wir Sie als Experten denn eingestellt?“ sind dabei keine Seltenheit. Es folgt eine Diskussion über die jeweiligen Verantwortlichkeiten. „Sie sind doch der Verantwortliche“, wehrt sich die FASI (Fachkraft für Arbeitssicherheit), „ich unterstütze, berate, informiere nur!“. Und dann geht die Diskussion erst richtig los.

Auch die Beurteilung der Umweltauswirkungen betrieblicher Prozesse (DIN ISO 14001) oder die Reklamationsbearbeitung im QM werden immer gern oder zum großen Teil an die Experten abgegeben.

Wie kann als Fach- und Stabsstelle einem solchen Verhalten optimal begegnet werden? Hier hilft die „Rolle“, die ja eben nicht auf Dauer angelegt ist, sondern in und durch den betrieblichen Alltag „verhandelt“ wird. Dies geschieht nicht nur dann, wenn es keine formale Vorgabe, wie einen Prozess gibt, sondern auch in sogenannten Ausnahmesituationen – beispielsweise sehr kurz vor einem externen Audit. (Link auf meinen entsprechenden Podcast)

Wie kann sich eine Fachkraft oder ein Fachexperte im Managementsystem für die alltägliche Verhandlung wappnen, die eigene Rolle und die damit verbundenen Erwartungen bewusst mitgestalten?

Konflikte vermeiden – Die Rolle bewusst gestalten

Verhandlungen haben die Eigenschaft anstrengend zu werden, wenn die Positionen – in diesem Fall die Erwartungen – zu weit auseinander gehen. Will eine Führungskraft die Gefährdungsbeurteilung gern ganz an die Fachkraft für Arbeitssicherheit delegieren, weil gerade „keine Zeit“ ist, hilft es vorbereitet zu sein, um mit klarem Standpunkt und guten Argumenten zu überzeugen.

Folgende Fragen tragen zur Klärung bei:

Wie sind die Rahmenbedingungen?

Zunächst sind die formalen Strukturen oder Vorgaben zu beachten, die einen definierten Rahmen markieren. Hier sind nicht nur interne Vorgaben (Aufbau- und Ablauf-Organisation/Organigramm, Funktionsbeschreibungen, Prozesse mit klaren /Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten) gemeint. Auch der Gesetzgeber hat klare Vorstellungen davon, wie Organisationspflicht, Verantwortung und Rechenschaftspflicht im Betrieb verankert sind. Neben unverhandelbaren Fakten („muss“), gibt es natürlich auch hier Interpretationsspielraum. Was „sollte“, was „kann“ bei der Zusammenarbeit geschehen?

Welches Selbstverständnis habe ich?

Zu den Rahmenbedingungen oder dem „offiziellen“ Fremdbild, kommt die individuelle Interpretation und Deutung der Rolle, das Selbstverständnis oder Selbstbild.

Dies ergibt sich einerseits aus der Theorie, also dessen was ich als Experte leben will und kann. Fragen dazu:

Fragen zum Selbst-Coaching: Wie sehen Sie als Fachkraft Ihre Rolle, wie leben Sie sie? Welche Ihrer Pflichten und Aufgaben als Fachkraft erfüllen Sie gern, weil Sie diese für wichtig und sinnvoll halten? Welche nicht? Wie vermitteln Sie das gewollt oder ungewollt?

Andererseits ändert sich ein ggf. klar kommuniziertes Rollenselbstbild sehr schnell damit, wie konsequent ich es in die Praxis umsetze. Viele Ausnahmen bestätigen dann eben nicht die theoretische Regel, sondern verwässern sie. Unterstütze ich als Fachkraft immer wieder ausnahmsweise, in dem ich Aufgaben und Pflichten der Linie übernehme, habe ich schnell eine neue (informelle) Regel.

Fragen zum Selbst-Coaching: Wie genau unterstützen Sie als Fachkraft Ihre Führungskräfte wirkungsvoll, ohne deren Arbeit zu machen? Setzen Sie die formalen Vorgaben zur Aufgabenteilung konsequent um oder weichen Sie schon einmal ab und definieren damit unbeabsichtigt neue Spielregeln?

Wie trage ich zur Transparenz bei? – Kommunikation, das Führungstool schlechthin

Konflikte in der Zusammenarbeit entstehen immer dann, wenn Erwartungen enttäuscht werden. Denn: „Erwartungen sind einseitige Verträge, von deren Existenz der andere nichts weiß.[4] Hier heißt die Devise: Vorbeugen! Jede neue Zusammenarbeit, jeder Start (sogar in eine neue Stelle) bietet die Chance, sich über Rollenbilder und Erwartungen auszutauschen. Im Zweifel gibt es Erwartungen an Sie, die weit vor Ihrem Einsatz geprägt wurden.

Fragen zum Selbst-Coaching: Wie wurde die Zusammenarbeit bisher gelebt? (Hier kann ihr Vorgänger oder auch ein Stabskollege eines verwandten Managementsystems im Unternehmen durchaus informelle Routinen etabliert haben, die dann als inkompatibles „Fremdbild“ wirksam werden). Sind ausreichend Vereinbarungen getroffen? Einvernehmlich und ausreichend begründet? Sind sie allen Beteiligten klar und werden sie verstanden?

Vielleicht ist Ihnen die eine oder andere Antwort unklar? Dann freuen Sie sich! Offensichtlich gibt es offene Fragen, die es wert sind, bedacht zu werden. Je größer Ihre eigene Klarheit und Positionierung bezogen auf Ihre Rolle, umso klarer und überzeugender sind sie in der alltäglichen Verhandlung. Und das könnte Auswirkung auf Ihre Zufriedenheit haben.


Über die Autorin:

Susanne Petersen
ist Buchautorin (Führung und Zusammenarbeit in Managementsystemen, Hanser Verlag 2016); Dozentin/Speakerin, Podcasterin („Mehr „Ach so!“ als ISO“); selbstständige Change-/ Organisationsberaterin und Coach; seit über 23 Jahre begleitet sie Unternehmen und Einzelpersonen im Bereich Managementsysteme. Neben der wirksamen Etablierung der fachlichen Ziele als Managementsystem in der Organisation liegt ihr Schwerpunkt beim „Faktor Mensch“ und seiner zeitgemäßen Führung und Zusammenarbeit

Kontakt:
Susanne Petersen
Kollegi.agile Managementsysteme
Corneliusstr. 23, 68163 Mannheim
Tel. 0621 436 25 848
www.susannepetersen.com
info@susannepetersen.com

Anstöße, sich mit der eigenen Rolle etwas intensiver auseinanderzusetzen
Coaching-Themen bzw. Anliegen können u.a. sein:

  • Konflikte mit Kollegen, Teams, Bereichen oder der Unternehmensleitung
  • Unsicherheiten bei der Abgrenzung im Bereich von Teilaufgaben, beim NEIN-sagen
  • chronische Überlastung, Stress
  • wiederkehrende Probleme in der Zusammenarbeit

Jetzt Mail-Coaching oder Termin für ein kostenfreies Vorgespräch vereinbaren.

[1] Seliger, Ruth (2010): Das Dschungelbuch der Führung. Ein Navigationssystem für Führungskräfte. 2. Auflage, Carl-Auer, Heidelberg

[2] Höhere Berufsbildung Uster https://www.hbu.ch/de/Fuehrung_Position_Funktion_Rolle.b61.10428.html

[3] Christina Klüver, Jürgen Klüver, Jörn Schmidt: Besser und erfolgreicher kommunizieren – Techniken, Selbsteinschätzungen, soziale Situationen und kommunikative Strategien, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer 2021, S. 95 ff.

[4] Dr. Herbert Strobl https://www.herbertstrobl.cc/home/artikel-downloads/was-ist-ihre-rolle/


Bildnachweis:

iStock.com/Nastco

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